In meinem Gespräch mit Wolfgang Walk ging es auch kurz um das Rollenspiel Albion (1995), für das er die mythologischen Hintergründe einiger Kulturen schrieb - im Podcast hatten wir sie beide nicht genannt, daher ein kleiner Nachtrag: es waren die "Kenget Kamulos" und "Dji Cantos". Der für Blue Byte produzierte PC-Titel, der Motive der Science-Fiction und Fantasy vermischte, war zwar erzählerisch innovativ, aber konnte sich nicht so ins spielkulturelle Gedächtnis brennen wie seine Vorgänger im Geiste: Amberstar (1992) und Ambermoon (1993).
Viele Veteranen dürften angesichts dieser Namen sofort Bilder vor Augen haben, aber nicht wenige dürften nur mit dem Kopf schütteln. In dieser kleinen Erkundung möchte ich ein wenig über diese charmanten Rollenspiele sowie die unvollendete Bernstein-Trilogie erzählen.
Amberstar (1990)
Amberstar war ein episches Schmuckstück hinsichtlich der Story und angenehm kreativ, was Teile des Spieldesigns betraf. Gerade wenn man es mit den eher statischen sowie kampflastigen SSI-Spielen wie etwa Curse of the Azure Bonds (1990) oder auch einem Eye of the Beholder (1991) verglich, wirkte die Fantasywelt von Lyramion mit ihren Städten, Gilden sowie Zaubern und Rätseln offener sowie vielfältiger.
Man begann als einsamer Abenteurer, konnte dann bis zu sechs Leute in seine Party aufnehmen. Die Charaktermenüs sowie Gebäude wurden in 2D dargestellt, während man sich ähnlich wie im damals schon als Klassiker verehrten Dungeon Master (1987) durch 3D-Landschaften bewegen konnte. Auch wenn man hinsichtlich des Kampfsystems einige Schwächen hatte, keine Charaktererschaffung bot und manches spröde wirkte, fühlte sich dieses Abenteuer, das für Amiga, Atari ST und PC erschien, idyllisch und handgemacht an.
Man darf zudem die Konkurrenz nicht vergessen, gegen die Amberstar auch rückblickend gut aussah. 1992 war ja ein großartiges Jahr für Rollenspiele, weshalb ich richtig mit meinem Abitur kämpfen musste: Auf dem Amiga erschien der stimmungsvolle Dungeon-Crawler Black Crypt, in Ultima 7 kämpfte man zum ersten Mal innerhalb der Reihe in Echtzeit und das erste "historische" Fantasy-Rollenspiel namens Darklands sorgte auf dem PC für Abenteuer in einem Deutschland des 15. Jahrhunderts - das Poster hing über Jahre in meinem Zimmer. Nebenbei erschienen noch DragonQuest V, Final Fantasy V, Wizardry: Crusaders of the Dark Servant, Realms of Arkania: Blade of Destiny, DSA:Schicksalsklinge und Might & Magic IV.
Ambermoon (1993)
Aber vor allem der zweite Teil Ambermoon gilt zurecht als eines der besten Rollenspiele für den Amiga. Ich habe damals sehr lange gespart und mir eine viel zu teure Festplatte dafür zugelegt, um mit den zehn (!!!) 3,5"-Disketten nicht zum Discjockey mutieren zu müssen. Inhaltlich knüpfte man direkt an Amberstar an, indem man in die Rolle des Enkels des damaligen Helden schlüpfte, der einer düsteren Vision des Großvaters nachgehen sollte. Aus technologischer Sicht reizte man den vom PC überholten Amiga quasi aus: Es ging nicht mehr Schritt für Schritt durch die 3D-Dungeons wie noch in Amberstar, sondern in Echtzeit mit scrollenden Texturen - und zwar flüssig, auf dem Amiga 1200 sogar mit Boden- und Deckentexturen: wow!
Außerdem sorgten Automapping und Teleporter für mehr Komfort, es gab farbig markierte Schlüsselwörter für Gespräche und das Bereisen der beiden Monde sorgte für Staunen - die Spielwelt war mehr als doppelt so groß wie jene von Amberstar, es gab Tag und Nacht, hunderte Gegenstände und wirkungsvollere Zauber, dazu richtig knifflige Rätsel. In sehr guter Erinnerung blieben mir bis heute zwei Dinge: Zum einen die famose Landkarte des Inselreiches, die sich in der Box befand. Sie war nicht nur ansehnlich, sondern auch sehr hilfreich. Und zum anderen die Runensprache, die es schon in Amberstar gab: Viele Begriffe in Ambermoon wurde in altnordischen Zeichen abgebildet, so dass man sie übersetzen musste. So fühlte man sich in Lyramion tatsächlich wie der Entdecker einer unbekannten Welt. Falls ihr mal reinspielen wollt, gibt es hier eine freie Version.
Mit Ambermoon konnte das deutsche Studio Thalion Software rund um Karsten Köper, Erik Simon und Jurie Horneman jedenfalls mit den Großen von Origin Systems rund um Paul Neurath konkurrieren - und wurde dafür weltweit von Kritikern gelobt. Ambermoon sah besser aus als so manches PC-Spiel und befand sich technologisch fast auf par mit dem früher veröffentlichten 3D-Pionier Ultima Underworld (1992), das mit seinen Kurven, dem Gefälle sowie physikalischen Auswirkungen im wahrsten Sinne des Wortes noch runder und dynamischer wirkte.
Die unvollendete Trilogie
Aber im Unterschied zum steilen Aufstieg des texanischen Studios, aus dem das berühmte Team von Looking Glass mit herausragenden Spielen wie System Shock (1994) und Thief (1998) entstehen sollte, wurde das Gütersloher Studio nach finanziellen Problemen 1994 aufgelöst; zwar hatten auch die Raukopien daran ihren Anteil, aber es gab auch grundsätzliche Probleme in der deutschen Spielebranche, was Finanzierung sowie Management betraf, die ebenfalls im Podcast angerissen werden. Kurzum: Es fehlte der Mut zu investieren sowie das gesellschaftliche Bewusstsein, dass Spiele mehr als ein Zeitvertreib für Freaks sind. Schließlich blieb es bei einer Amiga-Version, obwohl Atari ST und PC eigentlich folgen sollten. Und der geplante dritte Teil, der "Amberworld" genannt werden sollte, wurde nie entwickelt.
Thalion Software ist übrigens 1988 aus der Demoszene entstanden, auf die ich in ein wenig eingehe - diese Fanseite bewahrt das Erbe mit vielen Hintergründen und Bildern. Das Studio hinterließ Spiele wie Dragonflight (1990), Chambers of Shaolin (1990), Wings of Death (1990) und Lionheart (1992), von denen einige in meiner Hall of Fame des Amigas ruhen. Manche der Entwickler wechselten nach England zu Psygnosis, doch das Kernteam landete schließlich bei Blue Byte, wo nur ein Jahr später das oben erwähnte Rollenspiel Albion als Nachfolger im Geiste entstand - die stilistischen Ähnlichkeiten zu Ambermoon waren offensichtlich.
Aber die Bernstein-Trilogie blieb bis heute unvollendet.